Das Beste an mir ist meine Frau

Ich habe vor langer Zeit beschlossen, nicht mehr der großartigste Mensch auf Erden werden zu wollen. Es ist doch viel einfacher, einen solchen zu heiraten.

Als ich vor ca. hundert Jahren noch viril, vor Selbstvertrauen strotzend und vollgepumpt mit Testosteron war, fragte ich mich allen Ernstes, ob mir jemals eine Partnerin vergönnt sein würde, die mir ebenbürtig ist. (ist sie nicht herrlich, die jugendliche Selbstwahrnehmung? 😊) Letzten Endes war meine latente Sorge komplett unbegründet. Das Schicksal meinte es nämlich dahingehend derart gut mit mir, dass ich mir heute sicher bin: das Schicksal wollte mir ob meines jugendlichen Übermuts und meiner Selbstüberschätzung eine Lektion erteilen.

Die Situation gestaltet sich heute nämlich wie folgt: In unserer Ehe ist die „klassische“ Rollenverteilung zwischen Mann und Frau nicht nur nivelliert, sondern komplett auf den Kopf gestellt. Konkret heißt das: Wenn das Abflussrohr verstopft ist, schraubt meine Frau selbiges auseinander, während ich den Kindern das Frühstück mache (wir meinten beide, dass es so der Sache am meisten dient). Im Baumarkt gibt meine Frau mir telefonisch Anweisungen, wie ungelöschter Kalk aussieht und wozu man diesen braucht. Von ihr habe ich auch gelernt, wie man in einem Kamin (richtig) Feuer macht. Die Liste ließe sich unendlich fortführen. Kurzum: Meine Frau ist mir bei nüchterner Betrachtung so ziemlich in allem überlegen.

Es ist für den geneigten Leser unschwer zu erkennen, dass ich in unserer Ehe keine Hosen anhabe, maximal ein Feigenblatt. Das haben auch meine Mitmenschen ziemlich bald bemerkt: „Was macht Ihr am Wochenende? Hat sich Julia (= meine Frau, Anm.) schon etwas überlegt?“, fragt mich meine Mutter regelmäßig. „Übermorgen wird der neue Thermostat bei Euch angeschlossen und die Bedienung erklärt. Ist Julia dann eh zu Hause?“, ließ einmal unser Vermieter Zweifel an meinem technischen Verständnis durchklingen. „Paul, am Freitag werf‘ ich den Griller an. Frag doch mal die Julia, ob Du Zeit hast“, lautet eine whattsapp-Nachricht eines Freundes, die mich unlängst erreicht hat und mich eindeutig auslacht.

All das Geschilderte fußt auf einer ganz einfachen Tatsache: Meine Frau weiß alles. Das meine ich ernst! Das ist weder Übertreibung noch beißender Spott. Sie weiß nun einmal alles. Für mich ist so viel geballte Weisheit in so ziemlich allen Dingen durchaus anstrengend – und für meine Frau erst recht. Gerade weil diese Gabe auch gleichzeitig eine Bürde ist, hält sich meine Frau sehr zurück, wenn es darum geht, ihre Weisheit (mir) kund zu tun. Heißt: wenn ich mal wieder die falsche Jause für die Kinder herrichte, schwarze und weiße Wäsche in die Waschmaschine zusammenlege oder mich gerade sonst wo verrenne: meine Frau sieht - und schweigt. Sie könnte mich wahrscheinlich 100x am Tag belehren und korrigieren, sie tut es aber nicht. Ob aus Liebe zu mir oder aus Resignation, sei einmal dahingestellt. Fakt ist: Sie greift in der Regel erst ein, wenn es wirklich Spitz auf Knopf steht: z.B. wenn ich kurz davor bin, bei eingeschaltetem FI-Schalter eine Deckenlampe an das Stromkabel anzuschließen. Dann kann es schon einmal vorkommen, dass sie das Wort ergreift.

Rückblickend war mir zum Zeitpunkt unserer Hochzeit vor 8 Jahren noch nicht vollständig klar, was ich da geheiratet habe.

Meiner Frau im übrigen auch nicht… 😊 Womöglich weiß sie doch nicht alles… 😊😊

Klugscheißer-Tipps:

  • Ungelöschter Kalk eignet sich prima dafür, das Regenwasser in den Sammelbecken frei von Gelsen zu halten.
  • Wenn Sie ein Mann und in Partnerschaft mit einer Frau sind, dann trennen Sie gemeinsam zu treffende Entscheidungen in 2 Gruppen: wichtig und unwichtig. Für erstes zuständig: Ihre Frau. Für alles andere: Sie.
  • Wenn Sie eine Frau und in Partnerschaft mit einem Mann sind, treffen Sie die wichtigen Entscheidungen und geben Sie ihrem Mann dabei das Gefühl, dass er entschieden hat. Fragen Sie mich nicht, wie das gehen soll. Ich weiß es nicht. Aber Sie wissen es. Immerhin sind Sie ja eine Frau.
  • Wenn Sie ein Mann und Single sind, dann halten Sie mich wahrscheinlich für kreuzbescheuert. Das ist legitim, nachvollziehbar und vollkommen in Ordnung. Wenn Sie Ihre Meinung über mich ändern wollen, dann brauchen Sie nur zu heiraten 😊

Text: Paul Grohmann, 7.7.2022

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