Das Schicksal des Allgemeinguts
Unlängst fragte mich unsere Tochter, was ein „Allgemeingut“ ist. Ich antwortete halb im Ernst, halb im Scherz: „Ein Allgemeingut ist etwas, das alle benutzen und niemanden kümmert.“
„Hä?“, war die logische Antwort meiner Tochter und daraufhin nannte ich einen Park als Beispiel: den würden alle Anrainer benützen, aber wenn irgendwo eine Plastikflasche herumliegt, räumt die in der Regel (freiwillig) Niemand weg. Dieselbe Wertschätzung teilt der Park mit anderen Allgemeingütern: Meere, Flüsse, Wälder, Berge. Der stirnrunzelnden Blick meiner Frau ließ mich eindeutig wissen, dass das wohl zu viel Realität für ein 7-jähriges Kind war 😊 Also präsentierte ich rasch eine Lösung, um die Stimmung zu heben: Ein Allgemeingut muss nur Jemandem gehören oder einfach Geld kosten, dann schaut die Sache ganz anders aus.
Diese Theorie kam mir bei meinem letzten Besuch eines Badesees, den ich seit meiner Kindheit im Sommer regelmäßig aufsuche. Früher stand dort das Wasser bis zum Ufer (s. 1. Foto r.), seit heuer ist dort ein netter, kleiner Strand (s. 2. Foto). Das liegt daran, dass der Grundwasserspiegel gesunken ist und den See nicht mehr speisen kann. Der See trocknet aus… und mit einem Mal, so mein Eindruck, wird der Klimawandel bei den Bewohnern dieses kleinen Idylls zum ersten Mal wahrgenommen.
„Wann tut endlich Jemand etwas für unsere Umwelt?“, erbost sich Norbert und die Angst vor einem Preisverfall seines Grundstücks ist ihm deutlich anzumerken. „Dürfte halt doch der Klimawandel sein“, blickt Ingrid nachdenklich auf den austrocknenden See. Man merkt, dass sie davon in den Zeitungen gelesen hat, aber den Klimawandel nie wirklich als Tatsache akzeptieren wollte.
„Ja klar, haben wir nur begrenzt Ressourcen, aber ich wüsste nicht, worauf ich verzichten soll?“, beteuert Hans-Werner und prüft bei diesen Worten den Garzustand des argentinischen Rinderfiletsteaks auf seinem 2x1 Meter großen Weber Gasgrill Genesis II EX-315. „Jo, da Klimawandel! Des wird no a richtiges Problem, oba I darleb des nimma“, sagt der rüstige Rentner Robert (alle Namen von der Redaktion geändert) und fasst damit ganz elegant ein grundsätzliches Problem hinter dem Klimawandel und überhaupt allem, was mit Umweltschutz zu tun hat, zusammen, nämlich: „Was geht das alles mich an?“.
Es hat beinahe etwas Rührseliges, wenn ein globales Ereignis auch die letzten Bastionen des Widerstands – eine österreichische Kleingartensiedlung und seine Bewohner – erreicht….
Meine Erkenntnis: wenn uns etwas Geld kostet, dann kümmern wir uns darum. Wenn es gratis ist, ist es uns wurscht. Die Lösung zur Rettung unseres Planten ist also naheliegend: alles, was bisher gratis war, soll künftig Geld kosten 😊
Ein paar (nicht ganz ernst gemeinte) Klugscheißer-Tipps:
• Steuer auf gesunde Luft und sauberes Wasser, Eintrittskassen vor Parks, Wanderwegen und Badeseen
• Damit die Bevölkerung das schluckt, müssen wir die Allgemeingüter sexy machen und zwar so:
- Saubere Luft heißt künftig „Bel Air“ und kostet
- Ein Besuch im Park heißt künftig „Energetic Health Care“ und kostet Eintritt
- Ein Bad im Fluss heißt künftig „Natural Skin Peeling“ und kostet Eintritt
- Eine Wanderung im Wald heißt künftig „Walk & Spa“ und kostet Eintritt
- Eine Wanderung in den Bergen heißt künftig „Upgrade yourself!“ und kostet
• Und schließlich noch das Ei des Kolumbus: Die einzige Bezahlmöglichkeit sind Bitcoins. Dann sind sowieso gleich alle Menschen voll dabei! 😊
Text: Paul Grohmann, 26.6.2022
Foto: Paul Grohmann