Erkenntnis zum Jahresanfang: Mit mir geht es bergab

Das neue Jahr hat für mich vielversprechend begonnen, denn ich bin um eine Erkenntnis reicher: Mit mir – genauer gesagt mit meinem Körper - geht’s nur noch bergab! Seit kurzem habe ich das schwarz auf weiß, denn laut einer mir vorliegenden Lebenskurve des holländischen Anthroposophen Bernard Lievegoed wächst und entwickelt sich der Körper bis zum 21. Lebensjahr. Danach ist die Wachstumsphase „abgeschlossen“ und die folgenden 20 Jahre „steht uns die gesamte Körperkraft zur Verfügung“. Ab dem 40. Lebensjahr beginnt dann hochoffiziell das Altern.


OK, ich gebe zu, das kommt für mich jetzt nicht so überraschend. Ein gewisser körperlicher Rückgang hat sich bei mir abgezeichnet – vor allem in sportlicher Hinsicht. Meine letzte ordentliche Tennispartie liegt sicher schon 10 Jahre zurück. Was danach kam, hat mit Tennis nur mehr wenig zu tun und gipfelte darin, dass ich mich bei meiner Frau nach einer weiteren frustrierenden Niederlage einmal ausgeweint habe. Ihre wie immer schonungslos ehrliche und aufmunternde Antwort war: „Paul, Du bist bald 40 und hast 2 kleine Kinder. Was erwartest Du?“ Also Spielplatz statt Tennisplatz.


Weitere Belege für meine körperliche Rückabwicklung gefällig?: Am Weg ins Büro im 4. Stock nehme ich immer häufiger den Lift statt den Treppen. Zum Joggen ist es mir derzeit zu kalt, stattdessen mache ich daheim Sit ups – oder zumindest das, was ich dafür halte. 25 Liegestütze hatte ich einmal drauf, wenn ich heute 10 schaffe, schlage ich mir triumphierend auf die Brust. Und Gewichte stemme ich nur noch, wenn ich den Supermarkt-Einkauf heim schleppe. Manchmal nehme ich mir dafür sogar ein car2go… Jetzt beende ich besser die Aufzählung, denn sonst fange ich noch zum Weinen an.


Es kommt aber noch schlimmer: auf einmal erscheint mir Fasten (!) durchaus sinnvoll. Ich buchstabiere: F-A-S-T-E-N! Angesichts meines sportlichen Verfalls benötigt mein Körper nicht mehr dieselbe Energie wie früher. Der Haken: ich esse aber gerne und nach wie vor so viel wie früher. Es ist nur meinem außergewöhnlichen Stoffwechsel zu verdanken, dass ich in den letzten Jahren noch nicht auseinandergegangen bin.


Aber es gibt Hoffnung: Vor mir lauert eine entscheidende Weggabelung, denn neben der körperlichen Entwicklung gibt es auch eine geistige Entwicklung. Diese kann dem besagten Herrn Lievegoed zufolge beginnend mit genau meinem aktuellen Lebensjahr entweder zu sinken oder (noch einmal) zu steigen anfangen. Grundsätzlich ist mir die 2. Option sympathischer. Dafür muss ich „jene Lebenskräfte, die vorher körperlich gebunden waren“ nunmehr in die richtigen Bahnen lenken, das heißt in meine geistige Entwicklung umleiten.

Nichts leichter als das! Herausforderung angenommen! Ich könnte ja damit anfangen, mir zu überlegen, was ich eigentlich mal werden möchte, wenn ich groß bin.

Klugscheißer-Tipp:

  • Streichen Sie „Midlife Crisis“ aus ihrem Wortschatz
  • Sagen Sie stattdessen „Beginn meiner sozialen Führungsphase“ (©Lievegood)


Text: Paul Grohmann am 12.1.2022

Foto: Paul Grohmann/Facebook