Was Corona aus mir macht(e)

Ich stelle fest, dass ich mich in den letzten 2 Jahren verändert habe und ich komme nicht umhin, Corona dafür zu verdächtigen.

• Früher war ich unternehmungslustig und sprühte vor Ideen, wenn es darum ging, Freizeitaktivitäten nachzugehen. Corona hat diese meine Fähigkeit zielsicher in den Tiefschlaf manövriert. 😃Heute fragt mich meine Frau bereits am Dienstag, was ich am Wochenende denn Lustiges tun möchte und gibt mir 3 Tage Bedenkzeit. Wenn dann Freitag Abend immer noch keine Idee von mir am Tisch ist, übernimmt sie die Wochenendplanung.

• Früher war ich gesellig und würde sogar so weit gehen, zu behaupten, ich war beliebt. Corona und die damit einhergehenden Regeln für ein solidarisches Miteinander haben mich und mein soziales Leben mit der Zeit verändert. Als verantwortungsvoller Bürger habe ich meine Freundschaften nämlich konsequent vernachlässigt. Das dürften meine Freunde bemerkt haben, denn mittlerweile zeichnen meine Frau und meine Mama für 90% der bei mir eingehenden Telefonanrufe verantwortlich.🤔


• Früher suchte ich fieberhaft den intellektuellen Austausch: ich lauschte Vorträgen, Diskussionsrunden oder suchte den Dialog mit Menschen, die klüger sind als ich. Aufgrund meiner reduzierten Kontakte wird mein Intellekt heute nur noch gefordert, wenn ich die Hausaufgaben meiner Tochter begutachte oder auf Befehl meiner Töchter mit Lego-Bausteinen den Cäsar-Palast aus „Asterix und Kleopatra“ nachbaue (s. Foto).

• Womit ich schon beim Thema Familie bin: ich habe bereits als Jungvater versucht, möglichst viel Zeit daheim bei unseren Kindern zu verbringen und das mit meiner Erwerbstätigkeit in Einklang zu bringen. Das ist mir gerade in den letzten 2 Jahren durch befohlenes Home Office derart gut gelungen, dass unsere Kinder ihren Vater aufgrund seiner Dauerpräsenz und ständigen Liebesbekundungen mittlerweile ziemlich satt haben. Ich merke das z.B. an den rollenden Augen meiner älteren Tochter, wenn ich ihr wieder einmal sage, wie großartig sie ist. Oder bei unserer jüngeren Tochter, wenn sie ihre Kindergartenpädagogin um das 100fache herzlicher begrüßt als mich. Fazit: Ich vermute, ich habe in den letzten 2 Jahren den Grundstein dafür gelegt, dass unsere ältere Tochter das gemeinsame Nest deutlich früher verlassen wird, um der Liebe ihres Vaters zu entkommen. Ich tippe auf 16 (Jahre).

• Aber es gibt auch Positives angesichts von Corona: Früher ging ich gerne und gut Essen (und Trinken). Die mit Corona einhergehenden Einschränkungen haben mich sehr genügsam werden lassen und haben mir darüber hinaus etliche Kosten erspart. Mittlerweile bilden der Kaffee, den meine Frau macht, und ein Essen, das nicht nur aus Reis mit Erbsen oder Bratkartoffeln besteht, ein kulinarisches Highlight.😋

• Und ich durfte Dank Corona auch so etwas wie Genugtuung erfahren. Denn in meinem beruflichen Umfeld war ich hinsichtlich Väterkarenz und Home Office ein Pionier. Als ich vor ca. 7 Jahren darum ansuchte, musste ich durchaus dicke Bretter bohren. Letztlich wurde es mir dankenswerterweise vom Arbeitgeber bewilligt. Als Gegenleistung musste ich mir lediglich ab und zu einen Spruch gefallen lassen à la „Ach, entschuldige, dass ich anrufe, Du bist ja heute im Home Office. Habe ich Dich etwa aufgeweckt?“….Ein echter Brüller!...😬 Aber das Pendel der Gerechtigkeit schlug dann im Frühjahr 2020 zu meinen Gunsten um. Denn dass angeordnetes Home Office und gleichzeitig Kinderhüten durchaus mit einem Aufwand verbunden sind, haben meine Kollegen (zumindest jene mit Kindern) während Corona dann plötzlich erfahren dürfen  Schlagartig haben die Witze über mich und Home Office aufgehört. 😀


Klugscheißer-Tipps:
• Wenn Sie mal wieder einen alten Freund anrufen, den Sie das letzte Mal vor Corona gesehen haben, stellen Sie sich zuerst einmal vor und erzählen Sie, woher Sie sich kennen.
• Wenn Ihnen beim Spazieren ein Passant entgegenkommt, schützen Sie Ihre Gesundheit und machen Sie es wie ich: Vollziehen Sie mit Ihrem Körper einen eleganten Schwenk zur Seite. Drehen Sie dabei Ihren Kopf schlagartig weg und tun Sie so, als ob Sie etwas in der Ferne bemerkt haben, was nun Ihre ganze Aufmerksamkeit beansprucht.
• Wenn Sie sich beim Home Schooling vor Ihren Kindern nicht blamieren wollen, dann holen Sie heimlich den Mathematik-Stoff aus Ihrer Volksschulzeit nach. So gehen Sie voller Selbstvertrauen in die Ihnen bevorstehende Aufgabe, wenn Ihr Kind Sie wieder mal ruft: „Kannst Du mir bei den Hausaufgaben bitte helfen?“


Text: Paul Grohmann, am 11.3.2022

Foto: Paul Grohmann