Wenn der Mensch Gott spielt: das Projekt Biosphere
Offenkundig hält sich der Mensch für schlauer als die Natur. Ich wette mal dagegen. Ein Besuch in einem Museum stimmt mich optimistisch, diese Wette zu gewinnen.
Der Mensch ist ja das klügste Lebewesen auf Erden. (Leider scheint es oft so, dass er nur zu gerne das Gegenteil beweisen möchte). Seine Genialität geht so weit, dass er sich gerne mal über Mutter Natur stellt. Beispiele gefällig?: Bei den Olympischen Sommerspielen in Peking ließen die Veranstalter Silberjodid auf Wolken feuern, damit bloß kein Regen die Sportstätten erreicht. Genetiker doktern auf der Suche nach der Unsterblichkeit an der menschlichen DNA herum und was ich so mitbekommen habe, können sich Paare mittlerweile im Labor aussuchen, welche Haarfarbe ihr noch zu zeugendes Kind einmal haben soll.
Offenkundig hält sich der Mensch für schlauer als die Natur. Ich wette mal dagegen. Ein Besuch mit meinen Kindern im Naturhistorischen Museum stimmt mich sehr zuversichtlich, diese Wette zu gewinnen. Dort durfte ich nämlich das Projekt Biosphere 2 (s. Foto) kennenlernen, von dem ich bis dahin noch nie etwas gehört hatte.
Ich versuche, das spannende Projekt kurz und knapp zusammenzufassen: Bei diesem Forschungsprojekt schufen Wissenschaftler eine sozusagen eine 2. (künstliche) Erde, genau genommen ein geschlossenes Öko-System unter einer Kuppel. Diese wollten eine Handvoll mutige Wissenschaftlicher 2 Jahre lang bewohnen, völlig von der Außenwelt isoliert, sich selbst ernähren und autark versorgen. (Näheres zum Projekt weiter unten bzw. unter diesem youtube-link, es ist wirklich interessant).
Das Ergebnis: das Experiment ging krachen - aber so was von: Mangelernährung, zu wenig Sauerstoff, Pflanzen- und Tiersterben und eine abgeschnittene Fingerkuppe (ok, das ist Pech) – die Wissenschaft musste die schmerzhafte Erkenntnis machen, dass die Mutter Erde doch ein durchaus komplexes Konstrukt ist. Auch wenn ein Visionär wie Elon Musk möglichst bald den Weltraum besiedeln will - von heute auf morgen werden wir wohl keine 2. Erde erschaffen, behaupte ich mal.
Diese Tatsache wiederum lässt mich manchmal unentspannt werden, wenn ich so in unsere Welt blicke. Warum? Wenn ich in einer Stadt lebe, wo der Müll sich auf den Straßen stapelt und es vor Abgase stinkt, dann wandere ich aufs Land aus. Wenn ich auf einer Insel lebe und weiß, in 10 Jahren steht die Insel aufgrund der Klimaerwärmung unter Wasser, dann wandere ich aufs Festland aus. Doch was mache ich, wenn unserem Planeten irgendwann das Wasser bis zum Hals steht? Ich will jetzt nicht die ganze Litanei an Nettigkeiten runterbeten, die wir Menschen unserem Planeten zumuten, aber besonders schlau ist das alles nicht. Blicken wir doch mal in den Himmel und seien wir ehrlich zu uns: So schnell kommen wir hier nicht weg.
Was also spricht dagegen, wenn wir unseren aktuellen Aufenthaltsort einfach ein bisschen mehr achten?
Text: Paul Grohmann, 26.6.2022
Foto: getty images
Das Projekt Biosphere 2: Visionäre Wissenschaftler reden immer wieder von der Kolonisation des Mars oder des Mondes. Da diese Planeten aber sehr lebensfeindlich sind, muss sich der Mensch zunächst eine künstliche Biosphäre (englisch Biosphere) schaffen, sprich ein geschlossenes Öko-System unter einer Kuppel. Das ehrgeizige Projekt Biosphere 2, das zwischen 1991 und 1992 stattfand, sollte zum ersten Mal ein komplettes Umweltsystem simulieren.
Die US-Gesellschaft Space Biospheres Ventures investierte 255 Millionen Mark, um in der Wüste Arizonas in den USA ein 140.000 Kubikmeter großes Gewächshaus zu bauen. Auf 9.000 Quadratmetern sollten dort mehr als 4.000 Pflanzenarten, mehrere hundert Fische, Insekten, Vögel und einige Hühner sowie Ziegen leben. Selbstverständlich durfte der Mensch nicht fehlen: Vier Männer und vier Frauen begaben sich am 26. 9. 1991 in das riesige, gläserne Forschungslabor. Ihr Plan: Zwei Jahre wollten die Wissenschaftler völlig isoliert von der Außenwelt in der Biosphere 2 überleben. »2« übrigens, weil mit der Biosphere »1« die Erde gemeint ist.
Die Biosphere-Wissenschaftler wollten untersuchen, wie ein geschlossenes Ökosystem funktioniert, und ob ein künstliches Öko-Gleichgewicht langfristig lebensfähig ist. Unter der Außenhülle schuf Space Biosphere Ventures sieben verschiedene Landschaften:
1. einen tropischen Regenwald,
2. eine Lagune,
3. ein Korallenriff,
4. einen flachen Ozean,
5. ein Wattenmeer,
6. eine Savanne,
7. eine Wüste,
8. einen tiefen Ozean ohne Sonnenlicht.
Obwohl rund 5.000 Sensoren und Computer das künstliche Leben beobachteten und sich die Wissenschaftler intensiv bemühten, musste 1992 das Experiment teilweise aufgegeben werden. Bereits nach dem ersten Versuchsjahr waren 15 bis 30 Prozent aller Pflanzen- und Tierarten ausgestorben. Außerdem befielen Krankheiten und Schädlinge wertvolle Feldfrüchte. In der Biosphere 2 wurde schließlich die Luft immer knapper, da immer weniger gesunde Pflanzen zur Photosynthese in der Lage waren. Als zusätzlich alle Bewohner nach einem Jahr einen deutlichen Gewichtsverlust verzeichneten, entschloss sich die Führung die Isolation abzubrechen und Außenluft hineinzupumpen. Das Projekt wurde abgebrochen. (Quelle: wissen.de)