Wenn die Lösung des Problems das Problem verschärft

Um dem Müll-Problem Herr zu werden, ließ ein Nationalpark Müllcontainer aufstellen. So weit, so logisch. Allerdings unterschätzte er dabei die Kreativität seiner Besucher. 

Kennt Jemand die Stopfenreuther Donau-Auen? Dort fand 1984 eine spektakuläre Besetzung statt, die letzten Endes den umstrittenen Bau eines Kraftwerks stoppte (link zu einem Bericht). Dort, wo einst die mutigen und mitunter zu origineller Kleidung (man erinnere sich nur an den Au-Hirsch; einfach „Günther Nenning“ und „Au-Hirsch“ googeln 😊) neigenden Au-Besetzer im Winter im Freien nächtigten und sich den heranfahrenden Baggern entgegensetzten, pilgern heute in Scharen sogenannte Naturliebhaber und ehren die Wegbereiter dieses Naturparadieses, indem sie zentnerweise Müll hinterlassen 😊 Auf ihren Facebook- und Instagram-Accounts inszenieren sie sich als naturverbunden und kurz nachdem der Post in den sozialen Kanälen abgesetzt wurde, werden Espresso-Tabs, Pizza-Kartons und kiloweise Dosenbier entsorgt. 😊

Die wackeren Wächter des Nationalparks setzten zunächst mutig auf die Eigenverantwortung der Menschen. Soll heißen, sie ersuchten die Besucher, ihren Müll wieder mitzunehmen. Etwas, das in der Theorie einem Kind noch einleuchtet, schien in der Praxis derart gut funktioniert zu haben, dass der Nationalpark sich schließlich schweren Herzens dazu durchrang, Müllcontainer aufzustellen. Wie sich bei meinem letzten Besuch des Nationalparks allerdings zeigte, hat dies das Problem nicht gelöst, sondern eher verschärft (s. Foto). Denn jetzt lassen die Besucher noch mehr Müll liegen und lassen sich davon auch nicht abhalten, wenn der Müllcontainer bereits überquillt. 😊 In diesem Fall wird der Müll einfach nebenan, obendrauf oder dahinter positioniert. Auch wenn der Müllberg oben am Container bereits bedenklich wackelt, positioniert der Besucher mit viel Balance und Feingefühl noch einen letzten Tetrapack obenauf oder irgendwo zwischendrin. Es ist fast so wie das Spiel, bei welchem man mit Bauklötzen einen Turm aufbaut, um danach einen Bauklotz nach dem anderen vorsichtig herauszuziehen ohne dass der Turm umfällt 😊

Diese Szenerie rund um die Müllcontainer erinnert mich an eine 3spurige Autobahn, über die sich kilometerweise Staus erstrecken. Findige Menschen suchen die Lösung in einer zusätzlichen Autobahnspur, die jedoch letztendlich nur noch mehr Verkehr und ebenso viel Stau nach sich zieht.

Bei meinem besagten Besuch im Nationalpark konnte ich den Müllberg nicht mehr ignorieren: Die Container wurden irgendwann dann doch von der kommunalen Müllabfuhr entleert; der Müll neben den Containern war aber nicht von deren  Zuständigkeitsbereich umfasst und blieb daher liegen. Also machte ich mich kurzerhand daran, den Müll selber einzusammeln und in die Container zu entsorgen (eine Arbeit, die in der Regel die tapferen Nationalpark-Wächter verrichten). Die Highlights beim Einsammeln waren 2 geöffnete Thunfisch-Dosen mit scharfer, auf ca. Knöchelhöhe abstehender Kante (s. Fotos) , drei gebrochene Zeltstangen und ein kaputter Sonnenschirm. Die Arbeit war rasch erledigt und die größte Herausforderung bestand lediglich darin, keine der vielen Wespen einzuatmen, die sich seit Tagen am Müll labten und sich in ihrem Vollrausch von mir gestört fühlten.

Ich bin mir sicher, der Au-Hirsch von damals blickte dabei von oben auf mich herab und sah in mir einen potenziellen Nachfolger. Die optische Ähnlichkeit ist jedenfalls gegeben.

Klugscheißer-Tipps fürs Campen in einem Nationalpark:

  • Lassen Sie sich nicht täuschen: die Existenz eines Müll-Containers in einem Nationalpark bedeutet nicht zwingend, dass es sich um ein Sperrmüll-Depot oder ein Altstoff-Sammelzentrum handelt.
  • Nehmen Sie bei Ihrem Camping-Urlaub unbedingt Gummi-Handschuhe und Schutzmaske mit. Diese Utensilien werden sie brauchen, wenn Sie Ihren Müll dort entsorgen wollen.
  • Allerdings ist es wahrscheinlich weniger Arbeit, Ihren Müll wieder nach Hause mitzunehmen, als sich einen Weg im übervollen Container zu bahnen.

Text: Paul Grohmann, 27.7.2022

Foto: Paul Grohmann